Pionierfläche

Pionier- oder auch Ruderalflächen genannt, gehören zu einem der ersten Stadien der Vegetationsentwicklung. Solche Flächen kamen früher entlang von dynamischen Flüssen recht häufig vor, heute sind sie in der Natur nur noch selten anzutreffen. Im Gegensatz zur üppig bewachsenen Blumenwiese ist die Pionierfläche eher spärlich begrünt und bietet vor allem lichthungrigen Pionierpflanzen einen Lebensraum. Durch wiederkehrende Störungen wie beispielsweise Hochwasser oder Rutschungen wird die Entwicklung immer wieder unterbrochen und Pionierstandorte erhalten. Treten diese Störungen nicht ein, werden die Pionierpflanzen zunehmend durch langlebige Arten und Gehölze verdrängt. Eine Pionierfläche ist somit ein hochdynamischer Lebensraum, der sich – ob mit oder ohne Störung – jedes Jahr anders präsentiert. Im Siedlungsraum sind solche Flächen noch häufiger anzutreffen. Durch die laufenden Umbauprozesse einer Stadt werden immer wieder temporäre Pionierflächen geschaffen: Baubrachen, unversiegelte Wege und Plätze. 

Pionierflächen können aus steinigem, sandigem oder sogar lehmigem Untergrund bestehen. Besonders Flächen mit einem hohen Steinanteil werden durch den raschen Abfluss von Regenwasser regelmässig ausgespült, was sich auf den Nährstoffgehalt im Boden auswirkt. Deshalb sind solche Flächen eher nährstoffarme Lebensräume. Sie sind nicht zu verwechseln mit den heute oft anzutreffenden Steingärten, die das Aufkommen von jeglicher Vegetation vermeiden sollen.

Viele Tierarten sind auf die unterschiedlichen Angebote von Pionierflächen angewiesen. Der Distelfink beispielsweise ernährt sich gerne von den vertrockneten Fruchtständen der Wilden Karde. Andere Arten sind auf Blüten ganz bestimmter Pflanzen spezialisiert. Die Natternkopf-Mauerbiene sammelt Nektar und Pollen nur einer Pflanzenart, des Gemeinen Natternkopfs. Diese zweijährige Pionierpflanze gedeiht auf nährstoffarmen, trockenen Flächen besonders gut. Ohne diese Pflanze gibt es auch keine Naternkopf-Mauerbiene. 

Nebst Nahrung bietet der Lebensraum aber auch geeignete Nistplätze. Mehr als zwei Drittel aller Wildbienenarten bauen ihre Neströhren in offene Bodenstellen. Solche finden sie vor allem in Lebensräumen mit lückiger Vegetation, wie Pionierstandorten. Auch andere Insekten wie Schmetterlinge, Libellen, Käfer und Heuschrecken sowie Reptilien und Schnecken nutzen Pionierflächen. 

Neue Pionierflächen im Siedlungsgebiet können am ehesten bei Neu- oder Umbauprojekten geschaffen werden. Statt nach Fertigstellung der Bauarbeiten Humus («Erde») auf die Rohbodenflächen aufzutragen, kann der kiesige Unterboden belassen werden. Er begrünt sich mit der Zeit von allein. Bei bestehenden Aussenräumen muss für die Schaffung von Pionierflächen der bestehende Bewuchs mit dem Oberboden (Humus) entfernt werden. Wahlweise kann anschliessend etwas Kies auf die Fläche aufgebracht werden. Für die Schaffung von kleineren Lebensräumen eignen sich zum Beispiel nicht mehr genutzte Sandkästen. Werden diese mit Steinen und Kies ergänzt und der Spontanbegrünung überlassen, entstehen so wertvolle Kleinstrukturen. Der Standort für solche Flächen sollte möglichst sonnig sein.

Pionierflächen bedürfen zu Beginn keiner grossen Pflege. Sowohl bei einer Spontanbegrünung wie auch bei einer Einsaat sind aufkommende invasive Neophyten (gebietsfremde Arten, die sich auf Kosten heimischer Wildpflanzen stark vermehren) regelmässig zu entfernen. Um die Fläche möglichst offen zu halten, sind später vermehrt Eingriffe wie das Schneiden der Vegetation im Frühjahr, jäten oder das Entfernen dominanter Arten vorzunehmen. Da die Fläche möglichst nährstoffarm gehalten werden soll, ist keine Düngung nötig. Auch von einer künstlichen Bewässerung ist abzusehen, da die Pionierfläche ein trockener Standort sein soll. Pflanzenstängel werden im Winter bewusst stehen gelassen, da sie für viele Insekten in den Wintermonaten als Unterschlupf dienen.

Verhalten bei Pionierflächen

Pionierflächen sind nicht nur störungstolerant, sie sind auf solche angewiesen. Das bedeutet, dass sie betreten und genutzt werden sollen. Damit sich Tiere wie die Natternkopf-Mauerbiene oder Eidechsen ansiedeln und vermehren können, sind sie auf geschützte Bereiche und genügend Versteckmöglichkeiten angewiesen (siehe Steinhaufen und Asthaufen).  

 

    

                     Sandbiene                   

                         Natternkopf Mauerbiene

 

 

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